Aktuell steht das Thema "Kirche" bei vielen in gedanklichem Zusammenhang mit Schlagzeilen über den Missbrauchsskandal und Kirchenaustritte. Dass die beiden großen Kirchen in Bayern auch viel Gutes für die Menschen leisten und als prägendes kulturelles Element zentraler Bestandteil der bayerischen Identität sind, kam bei einem abwechslungsreichen Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kirche und Politik zum Ausdruck, zu dem die beiden kirchenpolitischen Sprecher der CSU-Fraktion, MdL Barbara Becker und MdL Thomas Huber, eingeladen hatten.
Der Fokus lag dabei insbesondere auf der Frage, wie sich die Kirche in Hinblick auf die Zukunft positionieren sollte, welche Impulse - auch in politischer Hinsicht - gesetzt werden müssen und inwiefern der kirchliche Kontext Raum für Ideen, Visionen und Innovationen geben kann. Das Ergebnis: Es gibt viele innovative Projekte - sowohl in der evangelischen wie auch der katholischen Kirche.Kirche auf Instagram, Radwegen und in Kneipen
Mit von der Partie war unter anderem Martin Popp, der "analog" nicht nur als katholischer Priester in Furth wirkt, sondern in der digitalen Welt als "InstaPriest" von sich reden macht. Der Instagram-Pfarrer sagt: „Unsere Kirche braucht positives Marketing, mehr Bild statt Wort, mehr Agieren statt Reagieren“. Das möchte er insbesondere auch durch seine aktive Präsenz in den sozialen Medien leben.
Ähnlich innovativ zeigte sich auch der evangelische Pfarrer Jürgen Nitz, der einen Jakobspilger-Radweg initiiert hat. Die Idee entstand, als Nitz während der Corona-Pandemie feststellte, dass sich viele Menschen aus Angst vor Ansteckung nicht mehr in die Kirche trauten - gleichzeitig aber Sport und Bewegung an der frischen Luft einen regelrechten Hype auslösten. Das Motto lautete daher: "Die Kirche muss da sein, wo die Menschen sind", so der Pfarrer - und die Idee zum Gottesdienst auf zwei Rädern war geboren.
Die Kirche zu den Menschen bringen - das hat sich auch Landjugendpfarrer Ben Herzog zum Ziel gesetzt. Deshalb gehören Late-Night-Gottesdienste und Kneipengottesdienste zu seinem festen Repertoire, um insbesondere die Jugend zu erreichen und für kirchliche Rituale zu begeistern.
Perspektiven für Kirchen- und Vereinsleben in Bayern
Ihren Fokus mehr auf ältere Menschen gelegt haben Katharina Geiger vom Deutschen Evangelischen Frauenbund und Jochen Keßler-Rosa vom Diakonischen Rat Bayern. Sie waren sich einig: Speziell die digitale Teilhabe von älteren Frauen muss gestärkt und ermöglicht werden. Während viele Senioren zumindest die Grundlagen digitaler Technik schon einmal genutzt haben, fallen die Seniorinnen oftmals durchs Raster - auch weil in vielen Familien der Mann die Erledigungen übernimmt, die mit dem Einsatz modernen Technik verbunden sind. Geiger und Keßler-Rosa sind sich sicher: Hier könnten Diakonie und Caritas ein tolles Handlungsfeld eröffnen.
Handlungschancen sieht Barbara Klamt von der Evangelischen Jugendsozialarbeit beim Konzept "Offener Ganztag". Die Möglichkeit, sich aktiv in diesen Themenkomplex einzubringen, sollten die Kirchen nutzen, so Klamt.
In Bezug auf Wohn- und Lebensgestaltung kam Christoph Wittmann von der Kolping-Jugend die Idee, im Besitz des Kolpingvereins befindliche Immobilien künftig einer Nutzung als individuelle Wohngemeinschaften zuzuführen. In diesen soll nicht nur gemeinsam gelebt werden, sondern es sind auch Möglichkeiten zur Ausbildungsbegleitung, Persönlichkeitsbildung, zum gemeinsamen Musizieren und Beten mitgedacht.
Ebenso auf mehr Eigenverantwortung bei der Jugend setzt Manfred Walter, Landessekretär eines kirchlichen Jugendverbands. Die Jugendlichen in seinem Verband fühlten sich durch die rigiden Rahmenbedingungen des deutschen Vereinsrechts beschränkt, weswegen sie kurzerhand entschlossen, ihren Verband in eine Genossenschaft umzuwandeln. Der Verein gehört nun den Jugendlichen: Gelebte Verantwortung!
Impulse für christsoziale Politik
In Richtung der Politik kamen von Seiten der Gäste einige Ideen und Anregungen - allem voran, der Impuls, für die Entwicklung einer KI-App einzutreten, die Förderanträge und Verwendungsnachweise automatisiert erstellt. Die Innovationstreiber der Kirchen betonten, sie würden ihre Zeit gerne primär dafür nutzen, um Nähe zu den Menschen in ihrer Gemeinde herzustellen - ausufernde bürokratische Vorgänge würden dies durch den dadurch entstehenden Arbeitsaufwand und teils lange Bearbeitungszeiträume jedoch oftmals erschweren.