Petra Guttenberger, Michael Hofmann, Alfred Grob, Winfried Bausback, Alexander Dietrich, Martina Gießübel, Stephan Oetzinger, Jenny Schack, Andreas Schalk, Martin Stock, Karl Straub, Peter Tomaschko, Peter Wachler, Florian Streibl, Felix Locke, Martin Scharf, Tobias Beck, Martin Behringer, Martin Brunnhuber, Susann Enders, Stefan Frühbeißer, Johann Groß, Wolfgang Hauber, Bernhard Heinisch, Alexander Hold, Marina Jakob, Michael Koller, Nikolaus Kraus, Josef Lausch, Christian Lindinger, Rainer Ludwig, Ulrike Müller, Michael Piazolo, Bernhard Pohl, Julian Preidl, Anton Rittel, Markus Saller, Werner Schießl, Gabi Schmidt, Roswitha Toso, Roland Weigert, Jutta Widmann, Benno Zierer, Felix von Zobel, Thomas Zöller
Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, durch den Bundesminister der Justiz schnellstmöglich eine bundesweite Studie zu den Ursachen der gestiegenen Jugendgewalt, einer möglichen Absenkung des Strafmündigkeitsalters von gegenwärtig 14 Jahren sowie zur Einführung eines Verantwortungsverfahrens für strafunmündige Straftäter in Auftrag zu geben.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2023 weist Anstiege der Straftaten in Deutschland um 5,5 % und in Bayern um 5,2 % aus. Besonders besorgniserregend ist die Zunahme der Gewaltdelikte, welche in Deutschland um insgesamt 8,6 % und in Bayern um insgesamt 4,7 % gestiegen sind. Unser wehrhafter Rechtsstaat muss hier klare Signale aussenden - an die Täter, aber erst recht auch an die Opfer. Auch wenn Bayern immer noch das sicherste Bundesland ist, müssen die Weichen gestellt werden, um Straftäter noch besser zu verfolgen und bestenfalls Straftaten, auch durch generalpräventiv-abschreckende Maßnahmen, zu verhindern.
Insbesondere im Bereich des Jugendstrafrechts sind die Gewaltdelikte besonders gestiegen, nämlich um 13,7 % im Vergleich zum Vorjahr. Die Ermittlungsbehörden stellen fest, dass nicht allein eine Zunahme der Quantität, sondern auch der Qualität der Gewaltdelikte auszumachen ist. Ebenfalls ist ein vermehrtes Agieren gewaltbereiter Jugendgruppen auszumachen. Daher muss, neben dem vorrangigen Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts, auch der generalpräventive Effekt von Strafen wieder mehr in den Vordergrund treten, um das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erhöhen und das Vertrauen in unseren Rechtsstaat wieder zu bestärken.
Aktuell ist ein Anstieg der Delinquenz strafunmündiger Täter auszumachen. Im Vergleich zu 2018 stieg die Anzahl tatverdächtiger Kinder um 60,9 %, im Vergleich zu 2022 immerhin um 21,6 %. Vergleicht man die Anzahl tatverdächtiger Kinder, die Gewalttaten begehen, ergibt sich zum Jahr 2022 immer noch eine Erhöhung um 17,7 %. Immer wieder begehen auch 12- und 13-Jährige schlimmste Gewalttaten, vereinzelt auch Tötungsdelikte. Dass es keine gerichtliche Aufarbeitung gibt, ist für viele Opfer ernüchternd, wenn die Staatsanwaltschaften aufgrund der Strafunmündigkeit von Kindern die Strafverfahren zwingend einstellen müssen.
Gezielte Maßnahmen, sowohl im Bereich der Prävention wie auch im Bereich der Repression, können nur ergriffen werden, wenn die Ursachen der gestiegenen Jugendkriminalität bekannt sind. Es gibt bislang lediglich Vermutungen, was die Ursachen gestiegener Jugendgewalt sein können, z.B. die Auswirkungen der Corona-Pandemie oder vermehrte Gewalterfahrungen im sozialen Nahbereich sowie in den sozialen Medien. Um jedoch ein fundiertes Bild über die Ursachen gestiegener Jugendkriminalität und insbesondere der Jugendgewaltkriminalität zu bekommen, bedarf es einer auf wissenschaftlichen Kriterien basierenden umfassenden, bundesweiten Untersuchung dieses Phänomens.
In dieser interdisziplinären Studie muss zudem geklärt werden, ob sich der psychologische Entwicklungsstand von Kindern derart verändert hat, dass Reifeentwicklungen heute früher auszumachen sind und Kinder das Unrecht ihrer Taten schon früher erkennen können. § 3 S. 1 JGG sieht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nämlich nur vor, wenn der jugendliche Täter zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse können damit als wissenschaftliche Grundlage für eine notwendige Diskussion über die Absenkung des Strafmündigkeitsalters von gegenwärtig 14 Jahren in § 1 Abs. 2 JGG herangezogen werden.
Die Studie soll auch Vorschläge thematisieren, wie - fernab der jeweiligen Altersgrenze für die Strafmündigkeit - gezielt und auf praktikable Weise auf strafunmündige Straftäter eingewirkt werden kann. Hierbei soll insbesondere auf die Möglichkeit der Einführung eines Verantwortungsverfahrens eingegangen werden. Ein solches Verantwortungsverfahren hätte, unter Anwesenheit der erziehungsberechtigten Eltern und der straffälligen Kinder, eine Aufarbeitung des Tatgeschehens durch Staatsanwaltschaft und Jugendgericht zum Ziel. Das Jugendgericht würde dann Erziehungsmaßnahmen nach klaren rechtlichen und bundeseinheitlichen Maßstäben aussprechen. Das Verantwortungsverfahren hätte zudem den Vorteil, ein klares Signal der Aufklärung an die Opfer zu senden, weil es bislang formell keine gerichtliche Aufarbeitung aufgrund der zwingenden Verfahrenseinstellung wegen der bestehenden Strafunmündigkeit von Kindern gibt.
Aufgrund der überregionalen Bedeutung dieses Themas ist die Studie durch den Bundesminister der Justiz in Auftrag zu geben.